Vor nicht allzulanger Zeit erinnerte ich mich an ein Gespräch mit Erich Riedel. Damals erzählte er mir über Zwangsarbeiterlager in der Friedrichstadt. Was?, dachte ich Zwangsarbeiterlager in der Friedrichstadt.
Dann einige Zeit später fand eine Hängeregistratur aus der IG Historische Friedrichstadt ihren Weg zu mir ins Büro und erzählte weiter Details zu Kriegsgefangenen- und Zwangsarbeiterlagern in der Friedrichstadt.
Diese Aktensammlung weckte meine Neugierde tiefer in dieses Thema einzusteigen und ich wurde fündig. Offensichtlich wurden während der letzten Jahre des Deutschen Reiches mehrer tausend Menschen in der Friedrichstadt zur Zwangsarbeit gezwungen. Für das Funkionieren der Kriegswirtschaft wurden aus den „Ostgebieten“ verschleppte Menschen, Kriegsgefangene und Menschen aus Konzentrationslagern ausgebeutet. Sie lebten in Barackenlagern unter unwürdigen Bedingungen und schauten einem ungewissen Schicksal entgegen.
Erschreckend ist, dass nur wenige darüber etwas wissen und dass es keinen Gedenkhinweis an die Lager in diesem Stadtteil gibt, von einem Gedenkort für all die Menschen die in diesen Lagern arbeiten mussten möchte ich gar erst reden.
Bei weiterem Suchen in den Weiten des Internet wurde ich schnell fündig. Auf der Seite des Verein zur Förderung aktiver Zeitgeschichte und Heimatpflege – ZGH e.V. finden sich ausführliche Belege für die Existens und die Lage (fast) aller Kriegsgefangenen- und Zwangsarbeitslagern in Dresden.
Geschichte
Im Zweiten Weltkrieg fehlten der deutschen Kriegswirtschaft massenhaft Arbeitskräfte. Staat und Wirtschaft waren auf den massiven Einsatz von ausländischen Arbeitskräften angewiesen. Aus allen überfallenen Länder wurden Arbeitskräfte nach Deutschland zwangsverpflichtet. Da die Industrie ab 1942 durch die Einberufung fast aller deutscher Männer und die Umstellung auf Kriegswirtschaft noch mehr Arbeitskräfte benötigte kam es zu einem weiteren Anstieg der ausgebeuteten Zwangsarbeitenden in Deutschland. Nur so konnte die Grundversorgung der Bevöllkerung und die Produktion in der Rüstungsindustrie aufrecht erhalten werden.
Im August 1944 arbeiteten sechs Millionen zivile Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter im Deutschen Reich, die meisten davon aus Polen und der Sowjetunion. Mehr als ein Drittel davon waren Frauen, einige von ihnen wuren gemeinsam mit ihren Kindern verschleppt, oder gebaren diese in den Lagern. Dazu kamen 1944 fast zwei Millionen Kriegsgefangene als Arbeitende in der deutschen Wirtschaft.
Diese Zahlen steigen noch, wenn wir den Einsatz von Menschen aus den Konzentrationslagern mit einberechnen.
Zwangsarbeiterlager in DD-Friedrichstadt
Belege für die Unterbringung von Kriegsgefangenen und Zwangsarbeiter:innen finden sich für folgende Orte:
Adresse | Art der Unterbringung | Grundstücksnutzer | Belegung |
Behringstraße 24 | Fremd- und Zwangsarbeiter:innen Kriegsgefangene | Reichsbahn | |
Bremer Straße 3-31 | Fremd- und Zwangsareiter:innen, Kriegsgefangene | Industriebetriebe Stadt Dresden | 2000-4000 |
Bremer Straße 18b | Fremd- und Zwangsarbeiter:innen | Landesholzgewerbe GmbH | |
Bremer Straße 24 | Fremd- und Zwangsarbeiter:innen | allgemeine Ölhandels GmbH | |
Bremer Straße 40 | Zwangsarbeiter:innen | Rhenania-Ossag-Mineralölwerke | |
Friedrichstraße 10/12 (Keglerheim) | Fremdarbeiter:innen | zerstört | |
Hamburger Straße 10 | Fremd- und Zwangsarbeiter:innen | DREWAG/Stadt Dresden | 100 |
Hamburger Straße 12 | Fremd- und Zwangsarbeiter:innen | DREWAG/Stadt Dresden | |
Hamburger Straße 14 | Fremd- und Zwangsarbeiter:innen | Seidel und Naumann/Stadt Dresden | |
Hamburger Straße 25/26 | Fremdarbeiter:innen | Seidel und Naumann/Stadt Dresden | über 200 |
Hamburger Straße 28 | Fremdarbeiter:innen | Land Sachsen/Agesto Kohlesäure Werke GmbH | |
Hamburger Straße 30/32 | Fremd- und Zwangsarbeiter:innen | Papier und Textilverwertungs GmbH Lager | |
Hamburger Straße 30/32 | Fremd- und Zwangsarbeiter:innen | Deutsche Reichspost | |
Hamburger Straße 32/34 | Fremd- und Zwangsarbeiter:innen | Deutsche Reichspost | |
Hamburger Straße 36 | Fremd- und Zwangsarbeiter:innen | Land Sachsen/Alfred Wermicke Werke | |
Hamburger Straße 38 | Fremd- und Zwangsarbeiter:innen | Land Sachsen/ Eisenwerk Clemens Steuer Lager | |
Hamburger Straße 60 | Fremdarbeiter:innen | A.Hanitsch | |
Hamburger Straße 1-55 | Fremd- und Zwangsarbeiter:innen Kriegsgefangene | Reichsbahn | 100 |
Löblatuer Straße 64 | Fremd- und Zwangsarbeiter:innen Kriegsgefangene | Arbeitsgemeinschaft DAF Eisen und Metall | 400 |
Schlachhofring 5/7 | Vetriebene, Zwangsarbeiter:innen, Krieggefangene | Stadt Dresden | 750 |
Waltherstraße 26 | Zwangsarbeiter:innen | Seidel und Naumann | 13 |
Waltherstraße 27 | Kriegsgefangene | Seidel und Naumann | 400 |
Wachsbleichstraße 99(69) | Kriegsgefangene | Deutsches Reich | |
Wachsbleichstraße 6 | Vetriebene | Stadt Dresden /Deutsches Reich |
Und heute?
Kaum etwas errinnert heute noch im Straßenbild der Friedrichstadt an all die menschlichen Schicksale aus dieser Zeit in unserem Stadtteil.
Es gibt Pläne an der Bremer Straße eine Erinnerungstafel an zubringen und auf diesem Wege an das Schicksal der 2000-4000 Menschen zu erinnern. Wie viele Menschen das große Lager an der Bremer Straße 3-31 überlebt haben ist leider kaum bekannt. Bekannt ist aber, dass auf dem Friedhof gegenüber einige der Menschen aus diesem Lager begraben wurden.
Wer zur Finanzierung eines Gedenkplatzes für diese Menschen beitragen möchte, kann sich unter redaktion@friese-journal.de melden.
Buchtipp
In seinem Buch „Slaughterhouse-Five or The Children’s Crusade: A Duty-Dance with Death“ beschreibt der amerikanische Schriftsteller Kurt Vonnegut Erlebnisse während seiner Kriegsgefangenschaft aus dem Februar 1945 im Städtische Vieh und Schlachthof Dresden.
und Walter Wießner, Zwangsarbeiter in Dresden, eine Wissenschaftliche Publikation von 2004.
Titelbild: pixabay
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