Eine Bank ist ein Sitzangebot, das zum längeren Verweilen einlädt. Sie dient als Rast, erleichtert das Warten, ist ein Ort der Begegnung und Kommunikation. Im öffentlichen Raum hebt sie die Aufenthaltsqualität. Die Sitzbank ist ein Kulturgut und Chistiane Schlesiger sitzt jeden Freitag ab 15 Uhr in der Motorenhalle im riesa efau auf der ERZÄHLBANK und hört zu.
„Setzt euch hin und aus_einander! Wir haben in diesem Jahr zwar kein Rezept, dafür aber Ideen! Eine davon ist die ERZÄHLBANK.“ Dort nehmen Menschen Platz und kommen ins Gespräch. Insbesondere sind Personen eingeladen, die über Ideen und Rezepte für ein gutes Leben plaudern möchten.
Und das funktioniert besonders gut, weil die Bank so gebaut ist, dass die Teilnehmenden zwar nebeneinander sitzen, sich aber gleichzeitig anschauen können. Das Möbelstück für ein Gespräch unter vier Augen bezeichneten unsere Vorfahren als Tête-à-tête Sitzmöbel oder Loveseat. Eingedeutscht ist es eine Erzählbank.
Wie kam es zur Idee ERZÄHLBANK?
Die Idee entstand im riesa efau als Teamidee nach dem Lockdown. „Wir stellten uns die Frage: Wie können wir Menschen wieder in Kontakt bringen?“, erklärt Beate Neuber, die Projektleiterin für das Mehrgenerationenhaus. Erstmals wurde die Bank im Juni 2022 im Generationengarten an der Schäferstraße während einer Veranstaltungsreihe aufgestellt.
Das ungewöhnliche Sitzmöbel ist bis 5. März 2023 Teil der Ausstellung „Wir haben kein Rezept!“ im Motorenhalle Kultur Forum. Das Projektzentrum für zeitgenössische Kunst sieht sich als Laboratorium mit Ausstellung und ungeplanten Begegnungen. Es geht der Frage nach, gibt es ein Rezept oder eine Vielzahl davon, den Herausforderungen zu begegnen? Wer hat ein Rezept für die Wissenschaft, Gesellschaft, Wirtschaft oder Politik? Gibt es nicht sehr viele, auch gegensätzliche Anleitungen? Rezepte können Verordnet werden oder Handreichungen sein. Die Aussage: „Wir haben kein Rezept“ ist ein Eingeständnis von Nichtwissen, ein Erkennen, dass unser Wissen Grenzen hat. Eine Einladung, Fragen zu stellen.
Was versprechen sich die Macher:innen?
Die ERZÄHLBANK soll einen Impuls geben, Menschen zum Gespräch einzuladen. Christiane Schlesiger schenkt jedem Gast ein offenes Ohr und hört zu. Aktives Zuhören heißt, dem Menschen erlauben, seine Perspektive erklären zu können, ohne ihn zu unterbrechen, ohne Ratschläge zu geben oder die Aussage zu bewerten.
Wer kann kommen?
Eingeladen sind alle, die erzählen oder zuhören möchten. Es ist erwünscht, sich mit anderen Gesprächssuchenden auszutauschen und sich neugierig auf andere Menschen einzulassen.
„Seid neugierig, nehmt Platz, haltet inne und erzählt uns, was euch bewegt. Was beschäftigt euch, was sind eure Ideen und Rezepte für ein gutes Leben, vor dem Hintergrund dieser herausfordernden Zeiten?“ Lasst uns in Kontakt kommen, Erzählen und Zuhören. Fühlt euch auch als Ausstellungsbesuchende eingeladen, selbst mit anderen auf der ERZÄHLBANK Platz zu nehmen und sich von Begegnungen und Gesprächen überraschen zu lassen.
Soll die Bank auch an anderen Orten entstehen?
Die Ausstellung endet im März 2023. Solange steht die Bank noch in der Motorenhalle. „Andere Stadtteile möchten die Idee der ERZÄHLBANK aufgreifen und im eigenen Stadtteil umsetzen“, erklärt Beate Neuber. Sie plant, das Projekt fortzuführen. „Die Bank könnte an verschiedenen Orten in der Friedrichstadt aufgebaut werden. Mal sehen, was sich daraus entwickelt.“
Wer Interesse hat, die ERZÄHLBANK zu unterstützen, wendet sich bitte an den Verein riesa efau.
Was ist die Geschichte von Erzählbänken?
Diese raffinierte Sitzgelegenheit ist keine Erfindung der Neuzeit. Die heutige Erzählbank wird als Loveseats oder Tête-à-tête Bank weltweit verkauft und ist besonders beliebt als Gartenmöbel.
Ein Tête-à-tête Sitzmöbel für ein Gespräch unter vier Augen bezeichnet einen Doppelsitz in Form einer Acht. Zwei Menschen können hier sozusagen in unterschiedlicher Fahrtrichtung nebeneinander sitzen. Das ist eine sehr angenehme Sitzposition für eine gepflegte Plauderei, denn die Gesprächsparter:innen schauen sich an, ohne den Kopf drehen zu müssen.
Diese erweiterten Stühle, die unter der Bezeichnung Loveseats gehandelt werden, waren schon im 17. Jahrhundert an Höfen verbreitet. Die Vorläufer waren Sitze, mit erweiterten Sitzflächen, damit die ausufernde Garderobe der Damen beim Verschnaufen gut drapiert blieb. Das verbesserte Platzangebot wurde rasch geschätzt, denn die üppigen Roben verlangten nach mehr Fassungsvermögen. Etwas später bezeichnete dann der Ausdruck Loveseats auch die neckischen Doppelsitze, die leise Unterhaltungen ermöglichten.
Diese Doppelsitzmöbel sind bis heute im Trend und es gibt sie in zahlreichen zeitgenössischen Gestaltungsmöglichkeiten. Aber egal, ob zwei Sitzschalen aus spartanischem Metall für zwei Hintern, eine Bank aus zusammengezimmerter Palette oder eine intime Nische mit nobler Korbflechterei angefertigt wurde, eines ist immer gleich, sie alle laden zum Erzählen und Plaudern ein.
Wann ist die ERZÄHLBANK besetzt?
Nächster Termin: Freitag, 03.02.2023, 15:00 – 17:00 Uhr
Motorenhalle, Wachsbleichstraße 4a, 01067 Dresden
Jeden Freitag im Monat von 15:00 – 17:00 Uhr und jeden 4. Sonntag im Monat von 15:00 – 16:00 Uhr
Öffnungszeiten Besucherservice
Montag bis Freitag 16:00 -19:00 Uhr und Montag und Donnerstag 10:00 -13:00 Uhr
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