Seit 2018 kümmert sich die Stadttauben-Initiative Dresden am Bahnhof-Mitte um das Wohl der Stadttauben. Gegründet von engagierten Tierfreunden, zählt der Verein mittlerweile etwa 30 Mitglieder, die alle eines gemeinsam haben: ihre Liebe zu Tauben und das Engagement für den Tierschutz. Jeder, der sich für die gefiederten Stadtbewohner interessiert, ist herzlich eingeladen mitzumachen.
Ein Zuhause für die Stadttauben
Stadttauben haben es schwer in unserer Stadt. Viele Menschen sehen in ihnen nur Krankheitsüberträger und lästige Hinterlassenschaftsproduzenten. Doch Jodie Lentwojt und Sebastian Genz, ehrenamtliche Vorstandsmitglieder der Stadttauben-Initiative, sehen das anders. In einem großen Taubenschlag am Bahnhof Mitte kümmern sie sich um rund 300 Tauben und bieten ihnen ein sicheres Zuhause. Hier finden die Vögel nicht nur Schutz, sondern auch Futter und Wasser.
Taubenpopulation am Bahnhof Mitte gesunken
Der Bahnhof-Mitte galt viele Jahre als Taubenschlag mit Bahnanschluss. Der Deutschen Bahn und den Dresdner Verkehrsbetrieben waren die Tiere lästig und ihnen fiel nichts Besseres ein, als Gitter an die Eingänge zu bauen und Netze in die Durchgänge zu spannen, in denen sich die Tauben verfangen und die Tiere elendig verrecken. Vergrämung zeigt Wirkung, wir verlagern das Problem zum Nachbarn, scheinen sich diese Unternehmen zu denken.
Das freute das Möbelhaus nebenan, denn Tauben sind intelligente Tiere und zogen auf das Dach der Markthalle.
Möbelhaus hat ein Herz für Stadttauben
Der Möbelhändler in der Markthalle erkennt, dass eine andere Lösung gefunden werden muss, um die Population der Tiere zu verringern. Die Stadttauben-Initiative Dresden möchte zur gleichen Zeit einen Taubenschlag einrichten, wo die Tiere artgerecht versorgt und gleichzeitig die Vermehrung reguliert werden können. Der Möbelhändler stellt Raum zur Verfügung, die Futterkosten muss der Verein selbst aufbringen.
„Aber ein Taubenschlag reicht nicht aus im Stadtviertel. In der Friedrichstadt wären weitere gute Standorte auf den Dächern im Gebiet der Schäferstraße und im Kraftwerk-Mitte denkbar. Denn dort wurden viele Tauben durch die Sanierung vertrieben, aber Tauben sind standorttreu, die kommen wieder zurück.
Weitere Orte in Dresden sind der Amalie-Dietrich-Platz, das Areal Prager Straße, Bahnhof Neustadt und der Hauptbahnhof. Die Stadt ist nicht gewillt, Taubenschläge zu bauen. Wir setzen auf die Verantwortung der Wohnungsgenossenschaften und privaten Vermietenden.“
Was macht ihr im Taubenschlag?
Das Herzstück der Initiative ist der Eiertausch. Im ersten Halbjahr 2024 wurden bereits 800 Eier in diesem Schlag gesammelt. Die echten Eier werden durch Gipseier ersetzt, um die Population zu kontrollieren. So schlüpfen pro Jahr nur wenige Jungtiere, was den Bestand im Rahmen hält und gleichzeitig für Nachkommen sorgt, die zeigen, dass der Taubenschlag ein sicherer Brutplatz ist.
„Viele Menschen wissen gar nicht, dass 80 % der Tauben in der Nähe des Schlags bleiben. Dadurch entstehen weniger Verschmutzung in der Stadt und weniger Belästigung.“ erklärt Jodie Lentwojt. „Und hier tritt gleich ein Dilemma auf. Die Tauben sollen weg aus dem Stadtviertel, aber einen Taubenschlag in der Nachbarschaft? Nein!“
Taubenquälerei gibt es in Dresden fast täglich
Viele wissen nicht, dass die Vögel oft Opfer von Misshandlungen werden. Von Absperrband um die Füße bis hin zu Schusswunden und Graffiti auf den Köpfen – die Liste der Grausamkeiten ist lang.
Ein Beispiel, das gerade nochmal gut ausgegangen ist, entnehmen wir der facebook-Seite der Stadttauben-Initiative Dresden vom 20. Mai 2024.
Froh, dass diese zwei ca. 1,5 Wochen alten Küken noch leben und nicht vom Balkon oder in den Müll geflogen sind. Ja, leider alles schon erlebt.
Wie gesagt, diese zwei kleinen LEBEWESEN sind Babys! Sie können weder fliegen noch laufen. Sie können nicht selbstständig essen & trinken. Das einzige was sie können, ist nach ihren Eltern rufen! Zu schreien, dass sie Hunger & Durst haben oder das Ihnen kalt ist…..
Sie wurden im Treppenhaus ausgesetzt. Sie wurden von Ihren Eltern getrennt. Einfach so!
Denkt der Mensch, die Elterntiere haben keine Gefühle? Denkt er nicht, dass sie jetzt ihre Kinder suchen? Panisch sind? Angst haben? Trauer empfinden? Denkt er nicht, dass zwischen den Eltern und den Kindern eine Bindung entsteht?
Auszug facebook-Seite der Stadttauben-Initiative Dresden
Ein großes Anliegen der Stadttauben-Initiative ist es, die Menschen für das Thema Stadttauben zu sensibilisieren.
Die Stadt Dresden versucht mit einem Fütterungsverbot, den Bestand zu kontrollieren. Doch die Vereinsmitglieder sehen darin keine Lösung, sondern eher eine Form der Tierquälerei.
„Das Veterinäramt Dresden hat uns 80 % der Futterkosten gestrichen. Für die gelten Stadttauben nicht als Haustiere. Das Umweltamt Dresden fühlt sich auch nicht zuständig, für sie sind es verwilderte Haustiere.“
Woher kommen die vielen Stadttauben?
Stadttauben stammen von domestizierten Felsentauben ab, die in Städten ideale Nistplätze und Nahrung finden. Bis in die 1940er-Jahre gab es viele Taubenschläge in Dresden auf den Dachböden. Tauben züchteten die Menschen als Fleisch- und Eierlieferant. Brieftauben waren ein beliebtes Haustier bei der Arbeiterklasse. Durch die Luftangriffe wurden zahlreiche Häuser zerstört und die Tauben verwilderten. Sie fanden in den Ruinen und Brachen neue Brutmöglichkeiten, die durch die Sanierungen und Verdichtungen in den letzten 30 Jahren stark abgenommen haben.
Bis heute existieren Taubenzuchtverbände, die Tauben für Wettflüge einsetzen. Die ermatteten Tauben landen in den Städten, wenn sie es nicht nach Hause schaffen. Anhand der Ringe an den Beinen, können wir die Tauben aus ganz Deutschland, Tschechien oder Polen zuordnen und die Vereine kontaktieren. Aber welcher Züchter fährt für eine einzelne Taube durch halb Europa? Diese Tiere werden ihrem Schicksal überlassen.
Dann gibt es noch die Tradition, zur Hochzeit weiße Tauben aufsteigen zu lassen. Diese Tauben werden extra für diese 60 Sekunden gezüchtet. Wer denkt, die fliegen wieder nach Hause, ist falsch informiert. Durch ihr weißes Federkleid haben sie in der Natur kaum Überlebenschancen. Der Züchter kann die Taube also vorher nicht auf den Heimflug trainieren, weil das Risiko, dass die Taube von einem Raubvogel angegriffen wird, zu groß ist, fliegen sie das erste Mal zur Hochzeit. Aber Tauben müssen lernen, den Nachhauseweg zu finden, sonst sind sie hoffnungslos dem Verirren anheimgegeben.
Was macht die Stadttaubeninitiative-Dresden sonst noch?
Die Arbeit der Initiative endet nicht beim Taubenschlag. Es gibt eine Notfallgruppe, die sich um verletzte und ausgehungerte Tauben kümmert. Diese gefiederten Patienten werden entweder zum Tierarzt gebracht oder privat gepflegt. Die Kosten tragen die Freiwilligen selbst oder sie finanzieren sich über Spenden.
Unterstützung und Engagement
Die Stadttauben-Initiative lebt von der Unterstützung durch Freiwillige und Spender:innen. Jede:r, der sich für die Tauben einsetzen möchte, ist willkommen. Ob durch direkte Mithilfe im Taubenschlag, bei der Pflege verletzter Tiere oder durch finanzielle Unterstützung – jede Hilfe zählt.
Jodie Lentwojt und Sebastian Genz hoffen, dass sie durch ihre Arbeit die Sichtweise auf die Stadttauben ändern und das Leben der Tiere verbessern können.
Tauben sind intelligente, soziale und liebenswerte Tiere. Sie verdienen unseren Respekt und Schutz. Und vielleicht, wenn wir alle ein wenig umdenken, können auch sie wieder ihren Platz in unserer Stadt finden – nicht als „Ratten der Lüfte“, sondern als geschätzte Stadtbewohner.
Mehr Informationen findest du auf der Webseite der Stadttauben-Initiative Dresden.