Hallo Bing! Was ist dein Lieblingsort?

In der Redaktionssitzung erhielt jedes Redaktionsmitglied die Aufgabe, seinen Lieblingsort in der Dresdner Friedrichstadt vorzustellen und ein Interview dazuzuführen.

Im Büro zurück, fuhr ich meinen Rechner hoch und es meldete sich die Bing-KI, mit der Werbebotschaft: „Profitieren Sie von umfassenden Antworten, bei kürzerer Recherche“.

Ich soll einfach meine Frage stellen und die KI gibt mir die Antwort? Das probieren wir jetzt aus.

Ein Interview mit der Bing-KI:

Hallo Bing! Was ist dein Lieblingsort in Dresden Friedrichstadt?

Ich bin ein virtueller Assistent und habe keinen Lieblingsort. Ich bin hier, um Ihnen zu helfen. Wenn Sie jedoch weitere Fragen zu Dresden Friedrichstadt haben, stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.

Oh, so schnell wird man abgewürgt von einer Maschine. Na dann frage ich eben anders.

Was ist der schönste Ort in Dresden-Friedrichstadt?

Es gibt viele schöne Orte in Dresden Friedrichstadt. Einige der Top-Ausflugsziele und Sehenswürdigkeiten rund um Friedrichstadt sind auf der Website von Komoot aufgelistet1. Wenn Sie jedoch speziellere Informationen benötigen, können Sie mir gerne weitere Details geben.

blaue brücke friedrichstadt
Blaue Brücke Friedrichstadt Foto: Björn komoot

Jetzt bin ich gespannt, welche Sehenswürdigkeiten aufgeführt sind und ich klicke den Link. Mmh. Wir haben zwar eine Blaue Brücke in der Dresdner Friedrichstadt, aber irgendwie, habe ich die anders in Erinnerung.

Ich lache mich kaputt. Der Link verweist ins Nirgendwo. Die aufgeführten Gebäude habe ich noch nie in unserem Stadtteil entdeckt.

Also frage ich etwas anders?

Was ist das bekannteste Gebäude hier?

Das bekannteste Gebäude in Dresden Friedrichstadt ist möglicherweise das denkmalgeschützte Krankenhaus1Es gibt auch andere Gebäude von historischer Bedeutung, wie das technische Rathaus am Verschiebebahnhof Dresden-Friedrichstadt1. Wenn Sie weitere Informationen benötigen, lassen Sie es mich bitte wissen.

Das Krankenhaus lasse ich gelten. Das zählen die meisten Menschen auf, wenn sie an Gebäude in der Friedrichstadt denken. Aber das Technische Rathaus? Da wäre ich nie drauf gekommen.

Was weißt du denn vom Technischen Rathaus?

Das technische Rathaus am Verschiebebahnhof Dresden-Friedrichstadt wurde 1901 erbaut und war ein wichtiger Teil des Eisenbahnverkehrs in Dresden. Es wurde als Verwaltungszentrum für den Güterverkehr und die Wartung von Lokomotiven genutzt. Heute ist es ein denkmalgeschütztes Gebäude und wird als Bürogebäude genutzt. Wenn Sie weitere Informationen benötigen, lassen Sie es mich bitte wissen.

OMG! Ich frage lieber nicht weiter. Woher bezieht diese KI ihre kruden Neuigkeiten? Da raufe ich mir die Haare.

Nein danke Bing, mein Bedarf an deinen Informationen von dir ist gedeckt.

Kunstausstellung Dresden-Kunstakademie Lisiusbau 2023
Das ging voll ins Auge.

Bevor die Bing-KI irgendwelche Unwahrheiten über unsere Seite verbreitet, erfolgt eine Richtigstellung.

Was ist das Technische Rathaus?

Das ehemalige Technische Rathaus in Dresden wird seit 2015 zur Unterbringung von Asylbewerbern genutzt. Die Mauern des 175 m langen Gebäudes sind mit Stacheldraht versehen und die Eingänge werden von einem privaten Sicherheitsdienst streng bewacht. Überall am Gebäude hängen Überwachungskameras.

Das Gebäude in der Hamburger Straße 15-19 umfasst knapp 30.000 m² Nutzfläche auf einem ca. 27.000 m² großen Grundstück. Insgesamt können im Gebäude 450 Asylsuchende untergebracht werden. Sie werden vom Deutschen Roten Kreuz betreut.

Die Landesdirektion Sachsen gibt an, der Hintergrund der Unterbringung von Asylsuchenden im ehemaligen Technischen Rathaus ist der unverändert hohe Zustrom von Asylbewerbern nach Sachsen. Die immer wieder erweiterten Kapazitäten der Erstaufnahmeeinrichtung sind permanent im Grenzbereich beansprucht.

Was war das früher?

Seidel & Naumann an der Hamburger Straße

1883 kaufte Friedrich Naumann zwischen Eisenbahngelände und Hamburger Straße ein Baugrundstück, um seine erfolgreiche „Nähmaschinenfabrik Seidel & Naumann“ zu erweitern.

Firmengelände Seidel und Naumann Hamburger Straße Dresden-Friedrichstadt aus der Luftperspektive

Der Betrieb wurde schon 1868 in der Wilsdruffer Vorstadt an der Kleinen Plauenschen Gasse gegründet und rasch bis zur Ammonstraße erweitert. Sie bauten in Lizenz amerikanische Singer-Nähmaschinen. Nach 14 Jahren arbeiteten an diesem Standort 400 Menschen und produzierten 31.000 Nähmaschinen im Jahr. Mehr ging nicht an diesem Standort.

An der Hamburger Straße wurden die Fabrikanten fündig und erweiterten die Geschäftsfelder.

1884 begann zusätzlich die Fahrradproduktion der Marke „Germania“ mit einer Belegschaft von 614 Personen. Mit der Umwandlung in eine Aktiengesellschaft 1886. Lokomotiven-Geschwindigkeitsmesser, Musikautomaten und Motorräder der Marke „Germania“ ergänzten das Sortiment.

Standardschreibmaschine „Ideal“

Bruno Kaufmann kaufte 1899 den amerikanischen Erfindern Edwin Barney und Frank Tanner die Patente ihrer Schreibmaschine ab und verpflichtete sie, in Dresden eine Schreibmaschinenfertigung zu organisieren. 1900 erschien das erste Modell der Serie „Ideal“ Es wurden 1.125.000 Stück bis 1945 gebaut.

Schreibmaschine Erika 1990
Schreibmaschine Erika 1990
Schreibmaschine Erika 1980
Schreibmaschine Erika 1980
Schreibmaschine Erika 1929
Schreibmaschine Erika 1929
Schreibmaschine Erika 1916
Schreibmaschine Erika 1916
Schreibmaschine Ideal 1910
Schreibmaschine Ideal 1910

Reiseschreibmaschine „Erika“

1910 entwickelte der Konstrukteur Paul Käppler die kleine Reiseschreibmaschine „Erika“ . Die in Deutschland am häufigsten hergestellte Schreibmaschine. Bis 1991 wurden 5 Millionen Stück in verschiedenen Modellen und Ausfertigungen produziert.

Kriegsproduktion

Es blieb nicht bei der zivilen Produktion von Gebrauchsgütern. Während des 1. und des 2. Weltkrieges stieg das Werk an der Hamburger Straße in die Rüstungsproduktion ein. Gewehrläufe, Schlagbolzen oder Granatzünder wurden vornehmlich von Frauen und Zwangsarbeiter:innen angefertigt.

Verstaatlichung

Nach dem 2. Weltkrieg wurden die Dresdener Schreibmaschinenfirmen „AG vorm. Seidel & Naumann“ und „Clemens Müller AG“ zusammengelegt zum Betrieb „Mechanik Schreibmaschinenwerke Dresden“, dem späteren „VEB Schreibmaschinenwerke Dresden“.

Reprivatisierung, Abwicklung und Verkauf

Trotz Reprivatisierung des letzten „VEB Robotron Elektronik Dresden“ in die Firma „Robotron Erika GmbH Dresden“ musste 1991 die Schreibmaschinenfertigung aufgegeben und 1992 die Liquidation eingeleitet werden.

Der Münchner Unternehmer Rüdiger Freiherr von Künsberg erwirbt das Schreibmaschinenwerk 1991 von der Treuhand, saniert das Gebäude und vermietet es ab 1992 an die Stadtverwaltung. Diese nutzt das Gebäude als Technisches Rathaus.

Nutzung als Technisches Rathaus

Der Gebäudekomplex wurde 1884 von der Firma Seidel & Naumann bezogen und über hundert Jahre als Fabrik für Metallverarbeitung einschließlich Galvanik genutzt.

1992 nutzte die Stadtverwaltung Dresden die Räume. Das Bauamt, die Stadtentwicklung und ähnliche Abteilungen waren hier zentriert untergebracht und der Name „Technisches Rathaus“ bürgerte sich ein.

Mitarbeitende erkrankten an Krebs. Ab 2008 wurden Kontaminationen im Boden und im Gebäude selbst gemessen und es erfolgt eine Anzeige der Architektin Regine Töberich, wegen Gesundheitsgefährdung und schlampiger Sanierung des Gebäudes.

Es stellt sich heraus, dass 1991 vor die schadstoffbelasteten Wände nur ein Trockenbau gezimmert wurde. Das Rathaus zieht Ende 2010 fluchtartig aus dem Gebäude aus und es steht leer. 2010 stellt die Staatsanwaltschaft Dresden die Ermittlungen wegen krebserregender Stoffe in den Wänden gegen den Eigentümer ein. Nur die Böden waren kontaminiert.

2012 erwirbt der Dresdner Investor Ralf Troisen die schadstoffbelastete Immobilie und verpasst ihr einen neuen Namen „Hamburger Carré„. Der neue Eigentümer will nun einen zweistelligen Millionenbetrag investieren und das Objekt als Technologie- und Bürozentrum neu positionieren.

Neuanfang als Asylunterkunft

Der schlechte Ruf der Immobilie bleibt. Es findet sich kein Unternehmen, welches in die mittlerweile preiswerten Büroräume einziehen möchte.

Plötzlich wendet sich das Blatt mit der Flüchtlingskrise 2015. Zigtausende Flüchtende müssen rasch untergebracht werden. Ab 2015 nutzt die Stadt Dresden das Gebäude als Asylunterkunft und beherbergt vorrangig Asylsuchende, die kaum Chancen auf Asyl in Deutschland haben oder vor der Abschiebung in ihre Heimatländer stehen.

Ist das ehemalige Technische Rathaus ein Lieblingsort?

Das Technische Rathaus ist ein geschichtsträchtiges Gebäude in der Dresdner Friedrichstadt, aber als Lieblingsort kann ich es wirklich nicht betrachten.

Eine KI ist vollkommen unsentimental und unterscheidet nicht zwischen richtig und falsch, sondern mixt zufällig populäre Texte zusammen und serviert sie als neue Wahrheit.

Es bleibt die Erkenntnis, selber denken macht schlau. Und fundierte Quellenrecherche zeichnet guten Journalismus aus.

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