Was passiert, wenn Geschichte nicht nur erzählt, sondern gezeichnet wird? In Dresden verwandeln junge Menschen Erinnerung in starke Graphic Novels.
Graphic Novels als Brücke zur Erinnerung
In Dresden startet gerade die nächste Phase des Projekts „Echoes in Ink – Die Kunst des Erinnerns“. Es geht darum, jüdische Geschichte sichtbar und greifbar zu machen – nicht nur mit historischen Fakten, sondern durch Bilder, Figuren und Geschichten in Form von Graphic Novels.
Vom Stadtrundgang zum Comic-Panel
Die ersten Wochen liefen schon: Gedenkrundgänge führten durch die jüdische Geschichte Dresdens – vom frühen Gemeindeleben bis zu den Bruchlinien der NS-Zeit. Stadtführerin Katharina Michael erzählte nicht nur von Daten und Zahlen, sondern auch von Biografien, Verlusten und Neubeginn.

Im Anschluss hieß es: Stift zücken. Künstlerin Nazanin Zandi brachte den Teilnehmenden bei, wie man Figuren entwickelt, Panels aufbaut und Atmosphäre schafft. Erste Storyboards entstanden – kleine Fenster, durch die persönliche Stimmen der Erinnerung sprechen.
Ein Blick in die Friedrichstadt
Zwischen 1938 und 1942 existierte im Hinterhaus der heutigen 153. Grundschule, Fröbelstraße 1, eine private jüdische Schule – eingerichtet, nachdem jüdische Kinder per Nürnberger Gesetze aus den Volksschulen ausgeschlossen wurden (Anordnung vom 15. August 1938). Die Lehrkräfte unterrichteten 88 Kinder und 31 Berufsschüler:innen. Um Begegnungen auf dem Schulweg zu vermeiden, versetzten sie die Unterrichtszeiten und zogen zwischen Vorder- und Hinterhaus sogar eine hohe Mauer hoch. Am 1. Juli 1942 schloss das NS-Regime die Schule – wie alle jüdischen Schulen im Reich. Einige Kinder konnten emigrieren, viele deportierten die Nationalsozialisten. Heute erinnert eine Gedenktafel an der Fröbelstraße 1 daran; im Gebäude befindet sich die 153. Grundschule, die u. a. auf die Integration von Schüler:innen mit Sehbeeinträchtigungen spezialisiert ist.

Neue Workshop-Reihe im September
Jetzt, im September 2025, startet die nächste Runde: Fünf Graphic Novel Workshops mit den Künstlerinnen Olga Yocheva und Doreen Siegmund.
Die Themen reichen von „Leben vor 1933“ über „Verfolgung und Ausgrenzung“ bis hin zu Fragen, wie Erinnerungskultur heute funktioniert und wie man Parallelen zur Gegenwart zeichnerisch umsetzen kann.
Die Treffen finden in der KulturCentrale auf der Hechtstraße 17 statt – ein Ort, an dem sich Kreative aus ganz Dresden begegnen.
Für wen ist das gedacht?
Mitmachen können Schüler:innen, Studierende, junge Kreative und alle, die Lust haben, Geschichte in Bilder zu übersetzen. Vorkenntnisse braucht es keine – nur Neugier, ein bisschen zeichnerische Spielfreude und Interesse an den Fragen, wie Erinnerung heute aussieht.
Die Workshops sind kostenlos und finden nach Bedarf auf Deutsch oder Englisch statt. Materialien gibt’s vor Ort.
Warum das wichtig ist
In Zeiten, in denen Antisemitismus wieder lauter wird und historische Fakten schnell im digitalen Rauschen verschwinden, setzt „Echoes in Ink“ einen Gegenpunkt. Erinnerung wird nicht als Pflicht verstanden, sondern als kreative Praxis: zuhören, gestalten, erzählen.
Das Projekt gibt jungen Menschen Raum, eigene Perspektiven einzubringen – und zeigt, dass Comics nicht nur unterhalten, sondern auch Verantwortung sichtbar machen können.
Anmeldung und Ausblick
Die Anmeldung läuft online über die Projektseite: echoesinink.jkpev.de
Wer jetzt einsteigt, begleitet die Reihe bis Oktober und kann sein Werk später bei Ausstellungen und Veröffentlichungen wiederfinden.
Zum Jahresende präsentieren die Veranstalter die entstandenen Graphic Novels und veröffentlichen sie als E-Book. Damit geht Dresdner Erinnerungskultur einmal mehr raus in die Welt – gezeichnet, erzählt und festgehalten von jungen Stimmen.