Eure Fragen zum Wahlkampf
Was hat Sie dazu inspiriert, sich für die Kommunalpolitik zu engagieren?
Ich bin schon seit vielen Jahren Mitglied des Stadtbezirksbeirates Altstadt. Ein Ehrenamt, das ich immer wieder gern und aus Überzeugung ausübe. Das Schöne an Kommunalpolitik ist für mich, dass man sein unmittelbares Lebensumfeld direkt mitgestalten kann. Die Entscheidungswege sind kürzer und man sieht schneller Ergebnisse.
So ist es viel einfacher auf konkrete Bedürfnisse, die die Menschen im Stadtteil haben, einzugehen und sich aktiv dafür einzusetzen, dass Verbesserungsvorschläge umgesetzt werden. Das betrifft Einzelprojekte von Vereinen genauso wie konkrete bauliche Veränderungen im Stadtteil.
Dadurch habe ich schon viele interessante Vereine und Initiativen kennengelernt, die sich aktiv an der Gestaltung ihres Stadtteils beteiligen. Gerade diese Nähe zu den Bewohnerinnen und Bewohnern schätze ich sehr, denn hier fängt für mich Demokratie an, wenn sich Menschen gemeinsam dafür einsetzen, in einem guten Umfeld zu leben, dieses mitzugestalten und nicht nur darauf zu warten, dass sich von allein etwas verändert.
Was wollen Sie den steigenden Miet- und Energiepreisen entgegensetzen? Die Stadt Dresden erstattet Menschen mit Hilfebedarf einen bundesdurchschnittlichen Betrag, obwohl die Kosten für Energie vom stadteigenen Energieversorger über dem Bundesdurchschnitt liegen.
Das ist eine Frage, auf die die Mitglieder des Stadtbezirksbeirates naturgemäß wenig Einfluss haben. Ich werde mich aber dafür einsetzen, dass es eine deutlich bessere Förderung für dezentrale Wege der Energiegewinnung (Solarenergie, Wärmepumpen u. ä.) gibt, die es den Menschen ermöglicht, weniger abhängig von großen Energieerzeugern zu sein und das diese Möglichkeiten mehr als bisher auch den Bürgerinnen und Bürgern bekannt gemacht werden.
Eine weitere Möglichkeit sehe ich in der Änderung des Mietrechts (das kann allerdings der Stadtbezirksbeirat auch nicht entscheiden) zum Beispiel durch die Abschaffung der regelmäßigen Mieterhöhung aufgrund der Änderung der Vergleichsmiete. Ich wohne zum Beispiel in einem Haus, dass zwar vor 23 Jahren grundlegend renoviert wurde. Seitdem ist aber dort nichts weiter passiert (außer einem Fluranstrich). Der Wert des Gebäudes hat sich seither ständig verringert, sowohl durch gewöhnliche Abnutzung als auch durch Abschreibung. Aber trotzdem steigt die Grundmiete regelmäßig, weil sich durch den Neubau vor allem hochpreisiger Wohnungen im Umfeld der Mietspiegel ständig erhöht. Damit erhöht sich dann die durch mich zu zahlende Miete regelmäßig, obwohl sich für unsere Wohnungen keinerlei positiver Effekt ergibt.
Grundsätzlich trägt natürlich ein verstärkter Neubau von preiswerteren Wohnungen zur Stabilisierung des Mietniveaus bei.
Die Friedrichstadt verzeichnet in der letzten Zeit einen eklatanten Anstieg von Vermietungen für Ferienwohnungen. Wie wollen Sie mit Wohnraummangel, vor allem in Bezug auf die vielen Ferienwohnungen in der Friedrichstadt, über das neue Zweckentfremdungsverbot hinaus, umgehen?
Auch das ist keine Frage, die der Stadtbezirksbeirat entscheiden kann. Aus meiner Sicht wäre eine deutlich stärkere Besteuerung der durch diese Vermietung erzielten Erträge aber sehr hilfreich.
Was sind Ihrer Meinung nach die wichtigsten Herausforderungen, denen die Friedrichstadt gegenübersteht, und wie gehen Sie damit um?
Der Verkehr ist aus meiner Sicht das Hauptproblem der Friedrichstadt. Eine Insellösung für die Friedrichstadt halte ich aber für einen zu kurzen Ansatz. Damit die Stadt insgesamt lebenswerter wird, muss der Verkehr reduziert werden. Viele andere Städte in Europa machen uns das mit Erfolg vor, zum Beispiel die ehemals sehr Auto-affine Stadt Paris.
Die Friedrichstadt gehört zu den lautesten Stadtvierteln in Dresden. Die Ursache dafür ist der Verkehr. Wie wollen Sie zukünftig mit dem hohen Verkehrsaufkommen und all seinen Nebenwirkungen (Feinstaub, Parktplatzmangel, Dauerstau, unsichere Straßenquerungen, Verspätungen im ÖPNV) umgehen.
Aus meiner Sicht bedarf es zur Lösung der Verkehrsprobleme der Friedrichstadt umfassenderer Lösungen. Erste Schritte dazu können sein:
- Sperrung des direkten Zentrums (Bereich zwischen Dr.-Külz-Ring / Waisenhausstraße – Sankt-Petersburger Straße – Terrassenufer – Devrientstraße – Könneritzstraße – Ammonstraße – Budapester Straße – Dr.-Külz-Ring / Waisenhausstraße) und der inneren Friedrichstadt für den Durchgangsverkehr. Lieferverkehr, Anwohnerverkehr, Einsatzdienste werden gewährleistet.
- Eine Umfahrung dieses Bereiches ist problemlos möglich, da bereits in früheren Verkehrsplanungen so vorgesehen.
- Senkung der Höchstgeschwindigkeit auf 30 km/Std. auf allen innerstädtischen Straßen mit Ausnahme bestimmter Hauptverkehrsstraßen (B 6, B 97, B 170, B 173, Leipziger Straße, Großenhainer Straße, Grundstraße, Tolkewitzer Straße, Dohnaer Straße, Teplitzer Straße, Lenne-Straße, Stübelallee, Zellescher Weg, Nürnberger Straße, Washingtonstraße, Meißner Landstraße), dort Tempo 50.
Dass solche Veränderungen in Dresden weder leicht noch schnell umgesetzt werden können, sieht man am Beispiel der Königsbrücker Straße. Hier hat es Jahrzehnte gedauert, bis eine akzeptable Sanierungslösung gefunden wurde. Aber das Beispiel zeigt auch, dass sich der Einsatz der Anwohnerinnen und Anwohner dort gelohnt hat und nun nicht wie ursprünglich geplant eine vierspurige Straße entsteht. Ich denke, das kann auch ein Vorbild für die Friedrichstadt sein. Dabei aktiv die Sache voranzutreiben sollte auch eine Aufgabe des Stadtbezirksbeirates sein.
Haben Sie übergeordnete Ziele für die Infrastruktur Entwicklung vor allem bezüglich Verkehr, Wohnraum und öffentlichen Einrichtungen in der Friedrichstadt.
Ich denke, die Friedrichstadt ist ein Stadtteil mit viel Potential, das zeigt auch die Entwicklung der letzten Jahre deutlich. Es gibt mehr Familien, kreativen Austausch und interessante Projekte. Aber selbstverständlich lassen sich noch Dinge verbessern, gerade um das Viertel noch wohnlicher zu machen.
- Einsetzen werde ich mich für die Etablierung eines regelmäßigen Frische-Marktes auf dem Vorplatz Bahnhof Mitte / POCO, eventuell auch unter Einbeziehung der Marktschwärmer, die ja regelmäßig in der Friedrichstadt präsent sind.
- Verringerung des ruhenden Verkehrs durch Reduzierung der öffentlichen Parkplätze im Zentrum, Anhebung der Parkgebühren mindestens auf die Höhe des DVB-Tarifs (z.Zt. 3,20 € / Std.)
- Schaffung neuer Parkhäuser z.B. am Krankenhaus Friedrichstadt
- Für unumgänglich halte ich die Einrichtung einer öffentlichen Toilette auf dem Vorplatz zum Bahnhof Mitte / POCO, der auch ein wichtiger Kreuzungspunkt des ÖPNV mit einer hohen Besucherfrequenz ist. Es gibt zwar eine Toilette bei POCO, die aber nur zu den Öffnungszeiten zugänglich und auch den wenigsten Platzbesuchern bekannt ist. Auch für den Bahnhof Mitte ist eine öffentliche Toilette geplant, aber der Bahnhofs-Umbau wird auch nicht kurzfristig erfolgen.
Für nicht akzeptabel halte ich die Einrichtung eines GLOBUS-Marktes in der Friedrichstadt. Dafür sehe ich, neben den entstehenden Verkehrsproblemen, keinen Bedarf in der Friedrichstadt (und auch darüber hinaus in der Stadt nicht, denn Dresden ist mit Einzelhandelsflächen schon überversorgt).
Wie wollen Sie den Radverkehr in der Friedrichstadt stärken und fördern?
Zur Verbesserung des Fahrradverkehrs soll in erster Linie die Verkehrsberuhigung dienen, ergänzt durch eine durchgängige Straßen-Asphaltierung.
Sinnvoll ist auch die Schaffung neuer bzw. die Erweiterung vorhandener Fahrradstellplätze.
Was war ihr erfolgreichstes Projekt oder eines, was ihnen in der Friedrichstadt besonders am Herzen liegt.
Welche laufenden Projekte oder Initiativen setzen Sie aktuell in der Friedrichstadt um? Welche langfristigen Ziele haben sie für die Entwicklung der Friedrichstadt?
Mein erfolgreichstes Projekt in der Friedrichstadt (und auch darüber hinaus) ist das Projekt „Chancen für die Chancenlosen“ des Neuer Hafen e.V.
In diesem Projekt werden Menschen in besonderen Lebenslagen, darunter Wohnungslose, Suchtkranke aber auch Sozialstunden Ableistende, neue Chancen eröffnet, die dazu dienen, ihnen etwas Halt zu geben, eine stabile Tagesstruktur zu schaffen und weitere Probleme zu klären. Mit Teilnehmenden dieses Projektes haben wir zum Beispiel die heruntergekommenen Beete auf dem Vorplatz zum Bahnhof Mitte wieder auf Vordermann gebracht, einen illegalen Parkstreifen am Bahnhof zu einem Blumenbeet gemacht und den Bereich in Richtung Yenidze in Ordnung gebracht, neu besät und z.T. bepflanzt und reinigen den Platz regelmäßig von Müll. Bei der Bepflanzung kamen in der Regel „gerettete“ Pflanzen zum Einsatz zum Beispiel vom Baufeld für das neue Orang-Utan-Haus im Zoo oder auch regelmäßig Restpflanzen, die bei der Bepflanzung der städtischen Anlagen übrigbleiben. Auch am Koreanischen Platz sind wir regelmäßig im Einsatz, im Sportpark Ostra unterstützen wir den Eigenbetrieb Sportstätten der Landeshauptstadt bei der Pflege der Anlagen. Das alles werden wir selbstverständlich fortsetzen, wobei uns Ideen und Vorschläge der FriedrichstädterInnen sehr willkommen sind.
Wie ist Ihre Position bezüglich einer Elbquerung vom Ostragehege (einem einzigartigen Naturreservat) nach Pieschen trotz seines besonderen Schutzes.
Eine Elbquerung im Ostragehege sehe ich aus Gründen des Naturschutzes sehr kritisch, halte aber eine Personenfähre für FußgängerInnen und RadfahrerInnen für akzeptabel, um die Wege zum Beispiel in den Sportpark Ostra oder zur Messe Dresden deutlich zu verkürzen.
Eine Umsetzung sollte aber in jedem Fall in enger Zusammenarbeit mit dem Naturschutz erfolgen.
Es gibt noch einige andere Vorhaben, für die ich mich einsetzen will, die aber den Rahmen der Friedrichstadt überschreiten:
Was mir sehr am Herzen liegt, ist die Verbesserung politische Bildung.
Dazu schlage ich vor, ein städtisches Zentrum der politischen Bildung in der Altstadt einzurichten. Ein gelungenes Beispiel ist ein ähnliches Zentrum im Präsidentenpalast von Litauen (für alle zugänglich), das zwar die Landesebene abdeckt, aber als Lösungsprinzip sehr gut geeignet ist. Hier ein Link dorthin https://pazinkvalstybe.lt/
Ein solcher Vorschlag liegt nun schon lange von mir vor und in der Stadtverwaltung. Bisher allerdings ohne Resonanz.
- Verringerung des Leerstandes von Läden
(Teilung zu großer Einzelhandelsflächen, Vergabe bevorzugt an kleine inhabergeführte Firmen, Förderung der Neuansiedlung nach dem Beispiel von Paris)
- Verzicht auf die Erhebung von Sondernutzungsgebühren für die Außen-Gastronomie und temporäre Gastronomie-Angebote
- Schaffung weiterer Wasserflächen in der Innenstadt
- Weitere Begrünung der Innenstadt vor allem durch das Anpflanzen großer, schattenspendender Baumarten. Auch auf dem westlichen Promenadenring kann ich mir zusätzliche Baumreihen gut vorstellen. Vorbild könnten dafür sein die Planty in Krakau, vor über 100 Jahren angelegt und heute einer der größten Parks in Krakau, der die gesamte Altstadt einschließt.
https://en.wikipedia.org/wiki/Planty_Park_(Krak%C3%B3w)
Rainer Pietrusky
Anmerkung der Redaktion: Rainer Pietrusky hat selbstständig die Reihenfolge der Fragen geändert und in seiner eigenen Wertigkeit beantwortet.
Herr Pietrusky ist parteilos und steht auf der Liste der SPD