Zwischen goldenen Wetterhähnen und DDR-Kunst: Warum ein neues Nachbarschaftshotel plötzlich stillsteht und was Betreiber Marco Cassol wirklich vorhat.

Das Haus auf der Friedrichstraße 42 fällt inmitten der zahlreichen historischen Fassaden gar nicht auf. Einst Blue Nile, später Hotel Café Friedrichstadt, steht es heute als Hotel Friedrichstadt in den bekannten Online-Portalen der Hotelbranche. Doch nach einem Eingriff an der denkmalgeschützten Fassade stoppte das Amt überraschend alle Bauarbeiten. Im Mittelpunkt der Diskussion: Marco Cassol, der neue Betreiber. Wir haben mit ihm gesprochen – über seine Pläne, die Fassade und warum er von der Baustopp-Entscheidung selbst überrascht wurde.
„Ich will kein Denkmal zerstören – ich will es mit Leben füllen.“
Marco Cassol, Betreiber des neuen Hotel Friedrichstadt
Marco, du hast das Hotel übernommen – und plötzlich war Baustopp. Was ist passiert?
Als ich das Hotel im Februar 2025 übernommen habe, war das Gerüst bereits dran. Der Eigentümer des Hauses hatte bereits mit der Renovierung der Fassade begonnen. Ich selbst habe damit nichts zu tun – mein Teil ist der Innenbereich, also die Zimmer, die ich modernisiere und als kleines, familiäres Hotel betreiben möchte. Der Baustopp kam auch für mich völlig überraschend.
Wer hat den Baustopp veranlasst?
Der kam vom Denkmalschutz, unmittelbar nach einer Begehung durch eine Fachgutachterin Mitte Juni. Es geht um die historische Fassadengestaltung, die in den 1980er-Jahren von den Restauratoren Peter Taubert und Hans Riedel bemalt wurde. Die Malerei ist wirklich besonders – illusionistische Kunst mit Tieren, Ornamenten, Säulen – das ist schon etwas Einzigartiges.

Hattest du mit dem Denkmalschutz Kontakt?
Ich war bisher nur für die Zimmer zuständig, deshalb lief das direkt zwischen Eigentümer und Behörden. Als Betreiber bin ich natürlich betroffen, weil der Baustopp das gesamte Projekt verzögert. Aber ich unterstütze voll, dass man die historischen Elemente schützt, wenn sie noch da sind. Ich finde nur, man sollte sich anschauen, wie viel noch zu retten ist – und was möglich ist, um das Gebäude gleichzeitig sinnvoll zu nutzen.
Was ist deine Idee für das Hotel Friedrichstadt?
Ich möchte hier in Dresden ein kleines, herzliches Hotel schaffen – ähnlich wie in Berlin-Friedrichshain, wo ich schon ein kleines Hotel betreibe. Das Haus in Dresden ist wunderschön und bietet sich dafür an. Geplant sind einfache, gut ausgestattete Zimmer für Geschäftsreisende, aber auch Ferienwohnungen für Familien. Ich will kein anonymer Gastgeber sein, sondern Teil des Viertels werden.

Wie war dein erster Eindruck vom Haus?
Ich war sofort begeistert. Die Lage, die Fassade, diese besondere Atmosphäre. Klar, das Haus ist alt und braucht Pflege, aber man spürt, dass es Potenzial hat. Als ich später von der Geschichte der Fassade erfahren habe – also von der DDR-Restaurierung und den Kunstwerken – war mir klar, dass das mehr ist als ein einfaches Haus.
Die Stadträtin Susanne Krause sprach von „Gefühllosigkeit“ im Umgang mit der Fassade. Wie siehst du das?
Ich kann verstehen, dass man emotional reagiert. Die Malerei war ein Stück Stadtgeschichte – und solche Dinge sind selten geworden. Aber ich glaube auch, dass man mit Bedacht handeln muss: Was ist wirklich noch da, was lässt sich retten, wie kann man beides verbinden – den Erhalt und die Nutzung? Ich sehe meine Aufgabe darin, das Haus mit Leben zu füllen, nicht es zu entstellen.
Was wünschst du dir für die Zukunft des Projekts?
Ich wünsche mir einen konstruktiven Dialog zwischen allen Beteiligten – Denkmalamt, Eigentümer, Betreiber. Wir haben alle das gleiche Ziel: Dieses Haus soll nicht verfallen, sondern wieder genutzt und geschätzt werden. Ich hoffe, dass wir bald weiterarbeiten dürfen – nicht gegen das Denkmal, sondern mit ihm.
Danke für das Gespräch, Marco.
Wer waren Peter Taupert und Hans Riedel?
Wenn du durch Dresden schlenderst und staunst, wie prachtvoll Kirchen, Schlösser und Theater heute wieder aussehen – dann steckt da oft die Handschrift von zwei Männern drin, die du vermutlich nie getroffen hast: Peter Taubert und Hans Riedel.

Peter Taubert (1940–2023), geboren in Böhmen ist aufgewachsen im Nachkriegs-Dresden. Diese Stadt sollte ihn nie mehr loslassen. Als Restaurator machte er sich 1964 selbstständig. Und das mitten in der DDR, wo Denkmalpflege eine Wissenschaft für sich war. Ungewöhnlich und politisch nicht konform in einer von sozialistischen Doktrinen geprägten Gesellschaft, gelang es durch die wohlwollende Aufnahme in das „freie“ Künstler- und Restauratorenteam um Helmar Helas, Matthias Schulz sowie Fritz und Hans Riedel ihm der Einstieg in das Restauratorenleben.
Was Taubert auszeichnete? Seine Liebe zum Detail. Er war Spezialist für historische Maltechniken: Vergoldungen, Brokatmalerei, Schablonen, Lasuren – das ganze feine Besteck eben. Seine Arbeit sieht man heute unter anderem in der Semperoper, im Residenzschloss oder in der Frauenkirche. Dort war er nicht nur Restaurator, sondern sogar „künstlerisch-restauratorischer Oberleiter“. Und ja – sein Gesicht ist heute als Evangelist Markus in der Kuppel verewigt. Kleiner Fun Fact am Rande: Ein Kollege malte ihn als Modell für die Szene.
Hans Riedel (1935–2014) ist der zweite im Bunde. Vielleicht weniger bekannt, aber nicht weniger wichtig. Sein Fachgebiet: Wandmalereien, Skulpturen, Holz- und Architekturoberflächen. Er arbeitete meist in Kirchen und öffentlichen Bauten.
Die Häuser in der Friedrichstraße überlebten die Bombardierung 1945. Doch der Rat der Stadt Dresden hatte moderne Pläne für die zentrumsnahe Friedrichstadt vorgesehen. Aber in den 1970er Jahren gab es europaweit einen Sinneswandel zugunsten alter Bausubstanz. Davon profitierte nun die Friedrichstraße. Hier war schließlich das Denkmalamt Dresden untergebracht. Einige Häuser wurden saniert, die Wohnverhältnisse sollten sich verbessern. Darunter befand sich auch die Friedrichstraße 43, das Wohnhaus des Malers Richard von Hagn. Deutschen Architektur- und Landschaftsmaler des Realismus und Naturalismus. Diverse Aquarelle mit Dresdner Altstadtansichten befinden sich in den Dresdner Sammlungen des Stadtmuseums.

Die Restauratoren Riedel und Taubert verliehen der Fassade 1988 mit italienischen Architekturelementen und Tieren neuen Glanz – eine bewusste und witzige Hommage an den einst berühmten Bewohner des Hauses.
Fazit:
Hinter dem Baugerüst auf der Friedrichstraße steckt ein Gastgeber mit Herz und Ideen. Die nächsten Wochen werden zeigen, ob Denkmalpflege und neue Nutzung zusammenfinden. Wir vom Friese-Journal bleiben dran.