Der Begriff Tripperburgen wurde („volkstümlich“) in der DDR für geschlossene Venerologischen Stationen benutzt und auch im Krankenhaus Dresden-Friedrichtstadt gab es eine Tripperburg.
Verschiedene Zeitungen und auch der MDR befassten sich in der letzten Zeit vermehrt mit dem Thema. In den Mediatheken findet sich unter dem Titel “ „Diagnose Unangepasst“ ein PODCAST der ARD.
Wir haben uns mit Mathias Mohr von Klinikum Dresden in Verbindung gesetzt und er hat uns folgenden Beitrag dazu geschrieben:
Traumatisierung durch politisierte Medizin –
Die Geschlossene Venerologischen Station 9 im Krankenhauses Dresden-Friedrichstadt
In den Bezirkskrankenhäusern der DDR kam es u.a. zu Zwangseinweisungen von Mädchen und Frauen ab dem 12. Lebensjahr auf Venerologische Stationen. Allein der Verdacht auf eine Geschlechtskrankheit oder eine Denunziation reichten aus, um von der Polizei auf eine solche Station verbracht zu werden. Bis zu 70% der Eingewiesenen hatten letztlich nachweislich keine Geschlechtskrankheiten. Dennoch wurden sie wochenlang teils erniedrigenden gynäkologischen Untersuchungen und Behandlungen ausgesetzt und sollten zu „sozialistischen Persönlichkeiten“ umerzogen werden. Letztlich fanden noch nicht einmal prophylaktische Schulungen für die Betroffenen statt, sondern sie wurden schlichtweg zur Disziplinierung und Abschreckung gegen ihren Willen festgehalten. Und sie durften davon nicht berichten, was sie schriftlich beteuern mussten.
Prof. Florian Steger (Uni Ulm) und Prof. Maximilian Schochow (HS für Gesundheit Gera), Medizinhistoriker und Medizinethiker, forschten zum Thema „Geschlossene Venerologische Stationen in der DDR“ und veröffentlichten dazu. So berichteten sie, dass von ca. 1952 bis 1974 auch im Krankenhaus Dresden-Friedrichstadt eine Geschlossene Venerologische Station in der Hautklinik existierte. Eine solche befand sich anfänglich in der 3. Etage des Marcolini-Palais und zog später ins damalige Haus L um, das inzwischen abgerissen wurde. Leider gab es bislang zur Geschichte und zu den Behandlungen auf dieser Station nur sehr spärliche Informationen, da fast alle Patientenakten der Jahrhundertflut von 2002 zum Opfer fielen.

Ethikkomitee
Im Städtischen Klinikum Dresden bildete sich nunmehr vor ca. 3 Jahren eine Arbeitsgruppe des dortigen Ethikkomitees (Dr. Christine Wöldike, Angela Brinker, Mathias Mohr) zur Aufarbeitung der Geschichte der ehemaligen Geschlossenen Venerologischen Station. Nach Anfrage beim Leiter des Stadtarchivs Prof. Thomas Kübler erfuhr die Arbeitsgruppe, dass ca. 220 Patientenakten des Jahrganges 1969 noch existieren. Zur wissenschaftlich fundierten Sichtung dieser Akten konnten Prof. Florian Steger und Prof. Maximilian Schochow gewonnen werden. Dazu prüften beide Wissenschaftler in den Jahren 2024/2025 diese Patientenakten, um Aussagen zur Behandlung auf der ehemaligen Venerologischen Station des Klinikums machen zu können. Die Personennamen der Betroffenen wurden vor der Sichtung aus datenrechtlichen Gründen vom Stadtarchiv geschwärzt.
Am 10.6.25 fand eine Informationsveranstaltung im Marcolini-Palais statt, in der die Ergebnisse dieser Aktenbegutachtung durch Prof. Steger vorgetragen wurden. Dabei bestätigten sich bereits in anderen DDR-Kliniken gefundene Sachverhalte. So hatten weniger als ein Drittel der Mädchen und Frauen Geschlechtskrankheiten. Die restlichen Betroffenen hatten Hautkrankheiten oder keine Erkrankungen. Durchschnittlich waren die Frauen 22 Jahre alt. Sogar 15-jährige Mädchen wurden „behandelt“. Als Einweisungsgrund wurde oft keine medizinische Diagnose benannt, sondern Herumtreiberei, Säumigkeit, Unzuverlässigkeit, hwG-Person (Person mit häufig wechselnden Geschlechtspartnern) und Arbeitsbummelei angegebenen. Ein zuführender Polizist hatte den prägnanten Namen „Nutten-Schulze“. Die Betroffenen mussten täglich einen vaginalen Abstrich über sich ergehen lassen und waren 3 bis 6 Wochen in „Behandlung“. Bis zu 21 negative Abstriche wurden so bei einer Patientin gemacht. Man darf davon ausgehen, dass diese erniedrigenden Untersuchungen und der Fakt, gegen den eigenen Willen weggesperrt worden zu sein, zu psychischen Spätschäden bei einem Teil der Betroffenen geführt haben.
Ausstellung und Gedenken
Am Ergebnis orientiert hat das Klinikum vor, eine Form des Gedenkens für die betroffenen Mädchen und Frauen zu schaffen.
Für den Oktober 2025 ist eine 3-wöchige Wanderausstellung „Einweisungsgrund: Herumtreiberei“ im Marcolini-Palais geplant. Diese aus Leipzig kommende Ausstellung soll dann durch die neuesten Ergebnisse aus Dresden ergänzt werden.
In einem nächsten Forschungsschritt starteten nunmehr das Städtische Klinikum und Prof. Steger einen Zeitzeugenaufruf. Gesucht werden ehemalige Betroffene, Angehörige, MitarbeiterInnen, Zuweisende und PolizistInnen, die über eigene Erfahrungen mit der Dresdner geschlossenen Venerologischen Station berichten können. Bitte wenden Sie sich bei Interesse an Prof. Steger per e-mail: med.gte@uni-ulm.de oder telefonisch: 0731-5039901.