Mitten in den Menschenmassen die zu den letzten Großkonzerten in die Flutrinne marschierten, fielen mir Menschen bei einer Spendensammlung vor dem Rockkonzert auf.
Nachgefragt
Friese: Warum steht ihr hier?
Julia: Der Grund für die ganze Aktion ist, dass wir, Delphin als ambulanter Träger der Kinder- und Jugendhilfe keinerlei finanzielle Unterstützung für solche Projekte/Ferienreisen vom Jugendamt bekommen. Die meisten unserer Jugendlichen leben entweder im eigenen Wohnraum (von uns angemietet, ab 16 Jahren, in Ausnahmen ab 15) oder bei ihren Eltern. Eben nicht in teuren stationären Einrichtungen, welche den jungen Menschen jedes Jahr Ferienreisen finanzieren können. Das ist aus meiner Sicht eine ziemlich große Ungleichbehandlung – wir sind selbst für Tagesausflüge, zB in den Zoo, darauf angewiesen, Spenden zu bekommen. Unsere Abrechnung läuft ausschließlich über Fachleistungsstunden. Ich könnte hier noch unendlich weit ausholen, mit welchen Hürden wir zu kämpfen haben…aktuell kämpfen wir darum, dass wir ein paar mehr Fachleistungsstunden pro Teilnehmer für die Ferienfahrt bekommen.
Ferienfahrt
Friese: Wo hin soll denn die Reise gehen?
Julia: Die Fahrt geht nach Altenkirchen, Rügen, vom 21.-27.6. Wir hatten Glück, dass uns über eine Stiftung noch einen großzügigen Zuschuss gewährt hat und dass die 7 Teilnehmden auch je 100€ Eigenanteil gestemmt bekommen haben. Es kommen 2 Jungs (15 und 18) und 5 Mädchen (16-20) mit. Alle in Ausbildung, Schulersatzprojekten oder noch Regelschule.
Seit letztem Jahr haben wir die Art der Planung für die Ferienfahrt geändert, da auffiel, dass es viele kurzfristige Absagen gab, wenn wir ihnen „etwas vorgesetzt“ haben. Bereits im Januar haben wir begonnen, interessierte junge Menschen, die sich in unserer Betreuung befinden, einzuladen, um vom ersten Schritt an gemeinsam zu planen. Die Jugendlichen entscheiden, wo sie hin wollen. Jeder darf Vorschläge machen, es gibt pro und kontra Listen und es wird darüber gesprochen, wie die Fahrt finanziert werden soll. Letztes Jahr hat eine Jugendliche ein Crowdfunding erstellt, was uns am Ende gerettet hat (zusätzlich zum Brezelverkauf beim Kaiser).
Dieses Jahr wollten wir ein Benefizkonzert veranstalten. Bands hatten wir organisiert, die ehrenamtlich, bzw. für den Hut gespielt hätten. Wir haben ca 90 große sächsische Firmen angeschrieben und um Sachspenden gebeten, die wir bei einer Tombola verlosen wollten. Eine einzige Firma (Sachsenmilch – vielen Dank an dieser Stelle) hat uns ein Paket mit Merchandise geschickt. Alle anderen Firmen haben zumeist freundlich geantwortet, aber abgelehnt. Mangels Unterstützung haben wir das Konzert abgesagt. Rammstein war dann eine „Notlösung“.
Betreuung junger Menschen
Friese: Wieviele junge Menschen betreut ihr, in wievielen Wohnungen und wie alt sind diese jungen Menschen?
Julia: Aktuell haben wir 17 Wohnungen im Stadtgebiet angemietet, in denen Jugendliche zwischen 15-21Jahren wohnen (ü18Jahre junge Jugendliche wohnen nur bei Vorliegen eines Eingliederungsbedarfes in von uns angemieteten Wohnungen). Wir mieten die Wohnungen immer für bestimmte Jugendliche an, die sich diese selbst aussuchen und mit Volljährigkeit übernehmen. Dh wir haben eine recht hohe Wohnungsfluktuation 🙂 Die Jugendämter sagen, wir sind der einzige Träger, der das in dieser Form macht. Die meisten laufen auch nicht über eine §34 (KJHG) sondern über eine §30 (KJHG) und die Kosten für Miete und LU (Lebensunterhalt ) übers JC (Jobcenter) oder andere zuständige Leistungsträger.
Darüber hinaus betreuen wir Kinder in deren Familien (0-18Jahren). Die überwiegende Zahl unserer Hilfen ist nicht als klassisch oder standardisiert einzuordnen. Aktuell betreuen wir im Team Dresden insgesamt 72 Familien oder Jugendliche.
Ausblick auf die nächsten Konzerte?
Friese: Hat sich die Aktion gelohnt? Wie haben die Menschen reagiert.
Julia: Wir haben letztlich fast 400€ durch den „Verkauf“ von selbstgebackenen Brezeln eingenommen, was wirklich toll ist. Dabei waren manche Menschen total angetan, jedoch durften wir uns auch viele unschöne Sprüche anhören – besonders unsere Minderjährigen, die nicht so gut erklären konnten, um welchen Träger es sich handelt und wieso wir auf Spenden angewiesen sind. (Zitat eines Mannes zu unserer 16jährigen: „Geh doch Anschaffen, wenn du in den Urlaub willst“). Es war so 50:50. Letztes Jahr haben wir diese Aktion beim Elbufer vor Roland Kaiser gemacht – tendenziell waren die Menschen dort wirklich freundlicher.
Friese: Sehen wir euch auch vor den AC/DC Konzerten?
Juia: Das war tatsächlich eine Überlegung! Leider schaffen wir das zeitlich nicht mehr. Für das Backen der Brezeln haben wir letztes Mal einen ganzen Tag gebraucht. Außerdem können wir nicht schon wieder alle Brezeln der Metro leer kaufen 🙂 Ich hoffe, dass wir uns für unsere nächste Ferienfahrt 2025 über rege Unterstützung freuen können.
Friese: Na dann bleibt mir nur, euch Bestes für Euren Job zu wünschen und natürlich eine schöne Zeit in Altenkirchen.
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