Matthias Glasner hat mit „Sterben“ einen packenden Film über die Komplexität und Ambivalenz zwischenmenschlicher Beziehungen geschaffen.
Er ist schon eine Weile in den Kinos, dennoch wollte ich nicht versäumen, ihn hier noch einmal aufzunehmen. Selten gab es einen Film, der mich so berührt und trotz der Überlänge (180 Minuten) so gefesselt hat.
Im Mittelpunkt des Werks steht eine zerrissene Familie, Eltern im Rentenalter, zwei Kinder in den 30ern und 40ern. Der Vater Gerd Lunies (Hans-Uwe Bauer) ist schwer an Parkinson erkrankt und kommt ins Heim. Seine ebenfalls gesundheitlich angegriffene Frau Lissy (Corinna Harfouch) bleibt zu Hause zurück und kämpft sich durchs Leben.
Lars Eidinger spielt sehr überzeugend den Dirigenten Tom, der ein modernes klassisches Werk mit einem internationalen Orchester und Chor einstudiert, was im Film passenderweise viel Raum einnimmt. Robert Gwisdek verkörpert den immer anwesenden Freund und gleichzeitig Komponisten des Werks „Sterben“. Dann ist der Name gleichzeitig Programm, denn der eben erwähnte Gerd, Toms Vater, segnet einsam und allein in seinem Bett das Zeitliche und seine beiden Kinder müssen sich irgendwie dazu positionieren.
Dies fällt insbesondere Ellen (Lilith Stangenberg) nicht leicht, denn sie ist ihren Eltern noch mehr entfremdet als Tom und hat ein beträchtliches Alkoholproblem. Den meisten Raum nimmt daher auch nicht die Begegnung zwischen Tochter und Eltern ein, sondern mehr die Sucht und die brisante Liasion mit ihrem Chef, einem Zahnarzt.
Keine zwischenmenschliche Beziehung ist perfekt – das zeigt der Film sehr deutlich. Manchmal können nicht viele Worte verloren werden: aufgefordert, am Waldgrab etwas zu ihrem toten Mann zu sagen, bringt Lissy nur unemotional heraus: „Du warst einer von den Guten. Danke dafür.“
Wer ein guter oder sogar der bessere Vater ist, wird auch prägnant und komisch am Beispiel von Toms Exfreundin und ihrem Baby abgehandelt, das nicht Toms Kind ist, aber „irgendwie doch“.
„Sterben“ hat auf dem Berlin International Film Festival und den German Film Awards mehrere Preise abgeräumt und wurde auf weiteren Wettbewerben nominiert. Das ist kein Wunder, denn die schauspielerische Leistung aller Darsteller:innen ist herausragend, der Film nimmt sich Zeit, um die Gipfel und Abgründe des menschlichen Lebens und Miteinanders zu ergründen, die Dialoge sind stimmig und es gibt einige überraschende Wendungen. Lediglich einen Twist zum Ende hin fand ich persönlich ein wenig kitschig.
Unbedingte Empfehlung! Läuft noch ein bisschen in den Programmkinos.